Intarsiensaal


Basler Renaissance-Schatz
Der Intarsiensaal im Haus zum Löwenzorn 

29.11.2013 |  VON ULRICH BECK  |  AUSSTELLUNG, DENKMALPFLEGE
Das Haus zum Löwenzorn ist ein Kleinod und bedeutendes Gebäude in der Basler Altstadt mit einer weit zurückreichenden Geschichte. 
 
 
 

Die zentrale und kunsthistorische Besonderheit, die es in der Stadt und der gesamten Schweiz einzigartig macht, liegt im Obergeschoss des Hauses: ein Festsaal, ausgestattet im 16. Jahrhundert mit prachtvollen Renaissance-Intarsien. Während anderswo solche Dekorationen in der Barockzeit auf Grund eines neuen Stilempfindens oft beseitigt wurden und damit für die Nachwelt verloren gingen, blieben sie im Löwenzorn erhalten. Auch ein Umbau im 18. Jahrhundert änderte daran nichts. Die umfangreichen Intarsienarbeiten sind ein Meisterstück der damaligen Handwerkskunst, das bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.

Das Haus, das unter dem Schutz der Denkmalpflege steht, wurde nach dem verheerenden Erdbeben 1356 wiederaufgebaut und ist in seiner Baustruktur bis heute erhalten geblieben. 1495 wurde bergaufwärts ein Nebengebäude errichtet, an dessen Fassaden im Jahr 1968 Wandmalereien mit illusionistischen Architekturdarstellungen entdeckt und aufwändig restauriert wurden.

Perspektivische Darstellungen beherrschen auch die Motive der Intarsien im Festsaal. Der italienische Händler Balthasar Ravelasca, der sich 1555 in Basel niederliess, brachte die Kunst aus seiner Heimat mit, wo sie schon länger in vollendeter Meisterschaft ausgeführt wurde. Während seiner Eigentümerschaft bis 1580 liess er den Saal ausschmücken. Bilder, Ornamente und Muster sind aus unterschiedlichen Holzfurnieren zusammengesetzt. Für Schattierungen wurde das Holz entsprechend angesengt, sogar grünliche Farbtöne liessen sich durch einen bestimmten, künstlich herbeigeführten Pilzbefall erzeugen. Ravelasca gab um 1560 übrigens auch das prächtige Renaissanceportal am Haus in Auftrag.

Für die Renaissance besonders typische Motive sind perpektivische Ansichten vor allem von Architektur – Türme, Stadttore, Mauern, Ruinen. Sie befinden sich im Saal des Hauses zum Löwenzorn auf Türen, auf einem Buffet und auf der Vertäferung der Wände. 1718 erkannte der damalige Besitzer, Gerichtsherr Daniel Mitz, den Wert und die Bedeutung der Intarsienarbeiten. Er veranlasste ein neues Arrangement der Holzarbeiten und liess auch das Buffet gestalten. Die Barockeinrichtung des Nebenzimmers mit zeitgemässen Möbeln und Stuckdecke zeigt, dass Mitz mit dem Festsaal ganz bewusst eine Art früher Denkmalpflege betrieb. Die Hochschätzung der Werke blieb auch bei den nachfolgenden Hauseigentümern bis heute erhalten. 

 Trotz allem wurde der Saal im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach umgebaut und verändert, nicht zuletzt weil er seit der Zeit als Gastraum für ein Restaurant dient und dessen Bedürfnissen angepasst wurde. Durch den ständigen Gebrauch sowie durch statische Belastungen traten im Lauf der Zeit viele Schäden an den Holzarbeiten auf. Besonders beansprucht waren das Buffet und die Wand dahinter. Viele Furniere waren verzogen, lose oder gesprungen.

Im Jahr 2010 entschied sich die Kantonale Denkmalpflege zu einer umfangreichen Restauration des Saales. Als Basis diente das ausführliche Gutachten eines Restaurators über die angewandten Schreinertechniken, die verschiedenen Holzarten und die Schäden an den einzelnen Elementen. Parallel wurde der Raum in Zusammenarbeit mit der Uni Basel wissenschaftlich untersucht und fotogrammetrisch dokumentiert. Diese Voruntersuchungen dauerten bis 2013, dann erfolgte die Beauftragung dreier Experten zur Durchführung der erforderlichen Massnahmen, wobei die Denkmalpflege mit einem Gebäudeaufmass zum besseren Verständnis der Konstruktion des Hauses beitrug.

Bei drei Wänden war eine Konservierung direkt vor Ort möglich. Das mittlerweile einsturzgefährdete Buffet, die Täferung dahinter und die Eingangstür zum Saal mussten allerdings demontiert und in eine Werkstatt gebracht werden. Vor dem Abbau erfolgte eine genaue Vermessung, alle Einzelteile wurden auf einem Lageplan eingezeichnet und nummeriert. Anschliessend machten sich die Restauratoren an die Arbeit. Nach weiteren Voruntersuchungen wurden Verkrümmungen korrigiert, Risse geleimt und einige Holzteile wegen zu starker Beschädigung neu eingesetzt. Die Spezialisten gingen mit grösster Vorsicht und Sachkenntnis vor. Neue Holzelemente färbten sie mit wasserlöslichen Beizen, kleinere Kratzer und Macken wurden mit Retouchierstiften ausgebessert.

Zeitgleich zu den Arbeiten in der Werkstatt erhielt die Buffetwand im Festsaal eine der Baustruktur entsprechende Verstärkung, um stark wirkende Kräfte abzufangen. Da das Haus zum Löwenzorn unter Denkmalschutz steht, konnte die Finanzierung des Projekts mit Bundessubventionen und Kantonalen Zuschüssen gefördert werden. Mittlerweile erstrahlt der Saal wieder in altem Glanz und wird als Gastraum für etwa 50 Personen genutzt. Unter den Räumlichkeiten des Hauses zum Löwenzorn ist er sicherlich der dekorative Höhepunkt – Dank den Fähigkeiten und der Kooperation aller beteiligten Spezialisten, den Restauratoren, den Mitarbeitern der Denkmalpflege und nicht zuletzt auch der Besitzer.

Quellen
Bild 1: Haus zum Löwenzorn, Basel, Schweiz. (Urheber: Paebi / Wiki / Lizenz: CC)
Bild 2: Haus zum Löwenzorn. (Urheber: Domi-schnitz64 / Wiki / Lizenz: CC)

Zum Autor:

Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

Quelle: Denkmalpflege Schweiz